Gedankensplitter
Geschwisterlichkeit – mein «Souvenir» aus Lourdes und Argentinien
Hermanos y hermanas! Frères et sœurs! Brüder und Schwestern! – Es war viel von «Geschwisterlichkeit» die Rede auf den zwei Reisen, die ich im Mai unternehmen durfte: Auf der diesjährigen Lourdes-Wallfahrt habe ich im Reisecar aus der Autobiographie von Papst Franziskus vorgelesen und am internationalen Priestertreffen in Buenos Aires, von dem ich gerade zurückgekommen bin, war das Vermächtnis des argentinischen Papstes ohnehin allgegenwärtig. Seine Enzyklika «Fratelli tutti» bleibt ein eindringlicher Aufruf an die ganze Menschheit, alle Menschen, jeden Menschen als Schwester oder Bruder zu sehen und zu behandeln.
Dass dieses Ideal, diese Verheissung, dieser Auftrag nicht bloss eine «fromme Floskel» bleiben muss – etwa als liturgische Formel im Gottesdienst – durfte ich auf meinen beiden ganz unterschiedlichen Pilgerreisen eindrücklich erleben: Sowohl unter «meinen» Lourdes-PilgerInnen aus verschiedenen Gegenden der Schweiz als auch unter den PilgerInnen aus ganz Europa im französischen Wallfahrtsort erlebte ich einen ganz natürlichen geschwisterlichen Umgang, bei den Mahlzeiten genauso wie während der Prozessionen… Und erst recht in Buenos Aires, wo sich «Brüder» – Mitglieder der Priestergemeinschaft Jesus Caritas – aus Afrika, Amerika, Asien und Europa zum zweiwöchigen Welttreffen versammelt haben: Ganz egal, ob auf den Fluren und in den Gruppenräumen, im Tagungs- oder Speisesaal, in der Kapelle oder auf den Ausflügen, es herrschte eine wahrhaft «brüderliche» Atmosphäre!
Und dies, das soll nicht verschwiegen werden, obwohl wir aus völlig verschiedenen kulturellen, gesellschaftlichen und kirchlichen Wirklichkeiten stammen, uns in etlichen Aspekten fremd geblieben sind und in einigen Fragen völlig unterschiedliche Ansichten vertreten. Dass wir uns gegenseitig alle als geliebte Kinder Gottes, als «Geschwister im Glauben» sehen, hat uns ganz konkret geholfen, unsere Verschiedenheit zu schätzen, Spannungen auszuhalten und Konflikte zu überwinden.
So bin ich reich beschenkt und inspiriert nach Schaffhausen zurückgekehrt – im Bewusstsein, dass Geschwisterlichkeit keine Vision oder Utopie bleiben muss, sondern konkrete Wirklichkeit werden kann, wo immer ich selber «als Bruder» zu leben versuche: in Lourdes und Buenos Aires genauso wie in Schaffhausen, in St. Maria, in St. Peter, im Koni oder in Thayngen… ich freue mich auf euch, Schwestern und Brüder!
Boris Schlüssel, Kaplan